Ein Beitrag von Tobias Fischer
Im Jahr 2011 wurde der Begriff „Industrie 4.0“ erstmals auf der Hannover Messe „Digital Factory“ in den Fokus gerückt. Industrie 4.0 stellt dabei eine Neuausrichtung der Industrie dar. Arbeitsstrukturen von Planung, Umsetzung und Verkauf werden damit neu definiert. Umfragen zeigen, dass der Begriff der Industrie 4.0 bei vielen Unternehmen insbesondere dem Mittelstand in Deutschland und Europa noch wenig Bedeutung findet.[1] Vor allem der konkrete Nutzen und das Potenzial in der Industrie sind für einen großen Teil der Unternehmen (noch) nicht ersichtlich. Die bereits gut ausgearbeiteten technologischen Konzepte sind momentan schwer in konkreten Anwendungsfällen vorzustellen.[2]
Der Begriff „Industrie 4.0“ steht für die vierte industrielle Revolution, der drei industrielle Revolutionen vorangegangen sind. Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die vier Revolutionen.
Abbildung 1: Die vier industriellen Revolutionen[3]
Die erste industrielle Revolution begann um 1750 mit der Erfindung der Dampfmaschine. Diese neuartigen Arbeits- und Kraftmaschinen waren Motor der Industrialisierung. Strukturell bedingte Hungerkatastrophen gehörten der Vergangenheit an und so explodierte, angetrieben durch die Industrialisierung, die Bevölkerung, die mit Hilfe von Dampfschiffen und Eisenbahnen nun mit Kleidung und Nahrung versorgt werden konnte.
Die zweite industrielle Revolution ab ca. 1870 war geprägt durch arbeitsteilige Massenproduktion. Ein Kernelement dieser Revolution war das von Henry Ford eingesetzte Fließband in der Automobilproduktion. Zu dieser Zeit wurden sowohl elektrische Antriebe als auch Verbrennungsmotoren entwickelt. Seit den 1960er Jahren bis heute hält die dritte industrielle Revolution an. Dabei wurde mit Einsatz von Elektronik und Informationstechnik die Automatisierung von Produktionsprozessen immer weiter vorangetrieben.[4] Vor allem in den Jahren des Wirtschaftswunders machte die Elektronik große Fortschritte, sowie später die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Basis für eine fortschreitende Automatisierung der Produktionsprozesse bildeten. Im Gegensatz zu den ersten drei Revolutionen wird die vierte industrielle Revolution eher kontinuierlich vollzogen werden. Sie ist hauptsächlich durch den Einzug von Internettechnologien und neuesten Vernetzungstechniken geprägt.[5] Für die Industrie 4.0 sind intelligente und digital vernetzte Systeme Grundlage und ermöglichen somit eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion. Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren dabei direkt miteinander. Produktions- und Logistikprozesse zwischen Unternehmen werden intelligent miteinander vernetzt, um die Produktion noch effizienter und flexibler zu gestalten.[6] Zentrale Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit und zwar durch die Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen.
Sind wir deshalb mit der Einführung von Lean-Management-Systemen für eine optimale Qualität, eine optimale Liefererfüllung sowie die Produktion zu optimalen Kosten durch die neu aufkommende Industrie 4.0 noch auf dem richtigen Weg?
Lean-Management stellt die solide Basis einer erfolgreichen Implementierung der Industrie 4.0 für die Produktion der Zukunft sicher. Lean-Management kann letztlich sogar als essentielle Voraussetzung angesehen werden. Ob Echtzeit, Flexibilität oder Komplexitätsbeherrschung. Nahezu alle Prinzipien der Industrie 4.0 brauchen als Grundlage standardisierte und schlanke Prozesse im Sinne des Lean-Managements. Letztendlich muss auch die Industrie 4.0 reale Produktionsprozesse unterstützen. Deshalb wäre ein vernetzter, nicht im Sinne des Lean-Managements gestalteter Prozesses, nicht zielführend. „Denn auch schlecht aufeinander abgestimmte Prozesse lassen sich automatisieren, allerdings mit der Folge, dass diese dauerhaft schlecht bleiben.“[7]
Die Kernideen von Lean-Management und Industrie 4.0 sind sehr ähnlich. Die Steigerung der Produktivität und Flexibilität steht bei beiden Ansätzen im Vordergrund. Die Vorgehensweise ist allerdings verschieden. Lean-Management reduziert real die Komplexität durch das Vereinfachen und Zerlegen von Prozessen in kleinere Einheiten und die Implementierung von Regelkreisen für die Selbststeuerung. Bei der Industrie 4.0 hingegen versuchen digitale Systeme die Komplexität zu beherrschen und die beim Menschen „ankommende“ Komplexität zu vermindern.
Für produzierende Unternehmen gab und gibt es keine Alternative zu Lean-Management, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Genauso wird es sich mit der Industrie 4.0 verhalten. Getreu dem Leitsatz „Erst schlank, dann vernetzt“[8] stellt Lean-Management also die Basis für den erfolgreichen Weg zur Industrie 4.0 dar.
Dies bedeutet für Sie als Kunden, dass das Ziel, Lean-Management umfassend und tiefgreifend in allen Prozessen der Organisation zu implementieren, weiterhin das Richtige ist. Um auf die Herausforderungen im Kontext der Industrie 4.0 vorbereitet zu sein, gilt es den begonnenen Weg der Implementierung von Lean-Management weiter entschlossen zu gehen und die aktuelle Situation zu Entwicklungen im Rahmen der „smarten“ Produktion stetig im Blick zu behalten.
[1] Vgl. CSC Deutschland GmbH 2014
[2] Vgl. Köhler-Schute und Amberg 2015, S. 17
[3] Kagermann et al. 2013, S. 17
[4] Vgl. Kagermann et al. 2013, S. 18
[5] Vgl. Köhler-Schute und Amberg 2015, S. 18
[6] Vgl. Plattform Industrie 4.0 2015
[7] Bick 2014, S. 46
[8] Laun 2014, S. 1
Literaturverzeichnis
- Bick, Werner (2014): Warum Industrie 4.0 und Lean zwingend zusammen gehören. In: VDI-Z (Organ des VDI für Produktion und Logistik) 156 (11), S. 46–47.
- CSC Deutschland GmbH (2014): CSC-Studie: Industrie 4.0. Wiesbaden.
- Kagermann, Henning; Wahlster, Wolfgang; Helbig, Johannes (2013): Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0.
- Köhler-Schute, Christiana; Amberg, Jens (Hg.) (2015): Industrie 4.0. Ein praxisorientierter Ansatz. Berlin: KS-Energy-Verl.
- Laun, Martina (2014): Zuerst schlank, dann vernetzt. In: Der Betriebsleiter (11-12), S. 3.
- Plattform Industrie 4.0 (2015): Was ist Industrie 4.0? Die vierte industrielle Revolution: Auf dem Weg zur intelligenten und flexiblen Produktion. Hg. v. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.